Titelblatt der Zeitschrift Jugend

Über den Jugendstil

Die Wende zum 20. Jahrhundert war eine Zeit des Wirtschaftswachstums. In Europa entstand ein neuer künstlerischer Stil, der Jugendstil, der um 1890 seinen Ausgang nahm und etwa 1914 endete.

Wegbereiter war die Arts- und Crafts-Bewegung in England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die neue Kunstrichtung, ein Gesamtphänomen in der künstlerischen Entwicklung, verstand sich als Lebensreformbewegung mit einer neuen Ästhetik.

Der Name “Jugendstil” leitete sich von der 1896 in München gegründeten Zeitschrift „Jugend“ ab. Die Franzosen nannten die Stilrichtung „Art Nouveau“, die Engländer „Modern Style”, in Österreich sprach man vom „Sezessionsstil“. Die großen europäischen Zentren waren Brüssel, Nancy, Wien, Barcelona, Glasgow, Helsinki, in Deutschland Darmstadt, München und Weimar. Die Kunstrichtung suchte nach neuen Formen, die alle Bereiche der Kunst und des Lebens durchdringen sollten, z. B. in der Architektur, Bildhauerei, Malerei, Grafik, aber auch in der Dichtung, Musik, Tanzkunst und in der Mode. Der Jugendstil bevorzugte Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt. Dynamische Bewegungen, immer wiederkehrende Kurven und Wellenbewegungen, gebogene Endungen und Plastizität waren gemeinsame Elemente. Länderspezifisch entstand jedoch parallel dazu eine abstrakt-geometrische Richtung

Großherzog Ernst Ludwig

In Bad Nauheim entwickelte sich ein eigenständiger Stil, der teilweise auf Vorbilder der Renaissance und des Barock zurückgreift und diese mit Schmuckformen des späten Darmstädter Jugendstils dekoriert.

An der Entwicklung des Jugendstils in Deutschland war Hessens Landesherr, Großherzog Ernst Ludwig (1868-1937), maßgeblich beteiligt. Die Gründung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt geht auf seine Initiative zurück.

Bauphase

Bad Nauheim entwickelte sich im 19. Jahrhundert von einem unbekannten “Solbad” zu einem international geschätzten Heilbad. Da die veralteten Badehäuser im Fachwerkstil nicht mehr den wachsenden Anforderungen eines internationalen Badepublikums genügten, wurden diese durch neue Bade- und Kuranlagen ersetzt. Die unmittelbare Nähe der Sprudelquellen gewährleistete eine optimale Nutzung der Thermalsole mit ihrer natürlichen Wärme und frei gelösten Kohlensäure.

Wilhelm Jost

(1874-1944), ein aus Darmstadt stammender Architekt zwischen Tradition und Moderne, wurde Leiter der eigens geschaffenen Baubehörde für das Bad Nauheimer Projekt. Bei der Planung und Ausführung erfreute sich Jost großer künstlerischer Freiheit, die er dem Wohlwollen des kunstsinnigen Großherzogs Ernst Ludwig verdankte.

In Zusammenarbeit mit bedeutenden Künstlern der Darmstädter Künstlerkolonie schuf er ein Gesamtkunstwerk von hohem Europäischen Rang. Bildhauer Heinrich Jobst, Keramiker Jakob Julius Scharvogel, Maler  Friedrich Wilhelm Kleukens sowie Architekt Albin Müller prägten das Gesicht der Jugendstilanlage. So entstand als Juwel der Sprudelhof, der sich künstlerisch und technisch auf der Höhe der Zeit darstellte.