Blumen für die 1000. Besucherin

© H.A.M. Hölzinger

Große Freude herrschte beim Jugendstilverein, als nur wenige Tage nach Eröffnung der Plakatausstellung "Verführung durch Werbung" die 1000. Besucherin im Badehaus 3 eintraf. Rita Braun, ehemalige Angestellte des Hessischen Staatsbades, wurde mit einem Blumenstrauß begrüßt. Sie hat ein besonderes Verhältnis zum Jugendstil. "Man wird in Bad Nauheim immer mit dem Jugendstil konfrontiert, man kann ihm nicht aus dem Weg gehen", sagt die Ernährungsberaterin, deren Arbeitsplatz sich in einem der früheren Verwaltungsbauten des Sprudelhofs befand. In der Trinkkuranlage hielt sie Vorträge. Rita Braun ist voll des Lobes über die Präsentation der Ausstellung und die Möglichkeit, im Badehaus 3 original erhaltene Badezellen anzusehen.

Zu dem langjährigen beruflichen Engagement Rita Brauns passt die Wahl ihres Lieblingsplakats. Die in den Farben Schwarz, Gelb, Grau und Creme von Jan Toorop gestaltete Reklame für Salatöl aus Delft wirbt für ein gesundes Produkt, für Erdnussöl. Dies wird jedoch erst bei intensivem Betrachten sichtbar. Zunächst ist das Auge gebannt von den zarten Mädchengestalten, deren Haarpracht fast den ganzen Hintergrund einnimmt. Eine der beiden erhebt ihre Hände in einem Gebetsgestus, die andere widmet sich mit überaus eleganter Handhaltung dem Anrichten einer üppigen Portion Salat. Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass es sich bei den von Blättern umrahmten Ornamenten über dem Kopf eines der Mädchen - das rechteckige Feld wirkt wie ein kleiner Wandteppich - um Erdnüsse handelt. Entrückte Gestalten, die in kostbarer Kleidung und mit erlesenen Gesten einer alltäglichen Beschäftigung nachgehen und dazu ein wohlfeiles Produkt benutzen: Eine so ausgefallene, mit Gegensätzen spielende Darstellung rief nicht nur Bewunderung hervor, sondern auch die Kritiker auf den Plan. Sie nahmen Toorops Plakat zum Anlass, den niederländischen Jugendstil mit dem Spottnamen "slaoliestijl", Salatölstil, zu belegen.

Der Erfolg der Plakatausstellung ist wohlverdient, denn zwischen den ersten Ideen der Arbeitsgruppe - Hiltrud Hölzinger, Gisela Christiansen, Traudel Düll und Inge Stevermann - und der Eröffnung liegen viele Hundert Arbeitsstunden. Ein großer Teil davon floss in die Recherche, denn es galt, den Originalentwurf jedes Plakats zu finden. Ein weiteres Anliegen war, für die hochwertigen Replikate nur die bekanntesten Plakatkünstlerinnen und -künstler zu zeigen. Zwei Arbeiten des Publikumslieblings Alfons Mucha sind zu sehen; sie laden die Besucherinnen und Besucher zum Vergleich zwischen dem opulenten und dem etwas strengeren Stil Muchas ein. Einige deutsche Plakate scheinen die neue Sachlichkeit der 1920er-Jahre vorwegzunehmen. Den Anhängern des floralen Jugendstils gefallen sicherlich die Arbeiten des Belgiers Henri Privat-Livemont, der die Haare seiner Frauenfiguren auf ebenso unverwechselbare Art gestaltete wie sein Künstlerkollege Mucha.

Bei den englischen und amerikanischen Plakaten findet sich eine in kräftigem Blau gehaltene Werbung für das populäre Literaturmagazin "The Chap-Book", die viel Bewunderung erregt. Auch ein Blick in die Vitrinen lohnt sich. In einer der beiden ist englisches Porzellan mit einem originellen Muster ausgestellt: Unter einem hohen Baum spielt Pan seine Flöte, wunderbar passend zu einem Plakat, das den griechischen Gott als Titelblatt der nach ihm benannten Kunst- und Literaturzeitschrift zeigt.